Diese Forschung konnte mit Unterstützung des ungarischen Staates und der Europäischen Union, in Kofinanzierung des Europäischen Sozialfonds, durch die im Rahmen des Projektes TÁMOP 4.2.4.A-1 ausgeschriebene Stipendienförderung verwirklicht werden.
Die Präsentation wurde von László Kiss und András Hettyey gehalten.
Im Rahmen der Präsentationsreihe des
Auswärtigen Instituts „Kaffee und Außenpolitik“ haben László Kiss und András
Hettyey die Bundestagswahlen in Deutschland analysiert. Sie haben vier größere
Fragengruppen untersucht:
- Unterschiede
zwischen den linksliberalen und konservativen politischen Narrativen vor den
Wahlen
- Politische
Machtverhältnisse vor den Wahlen
- Situation
der Parteien, Aussichten der Koalition, Veränderungstendenzen des Parteisystems
und welche Wirkung die Wahlen auf diese Tendenzen geübt haben
- Bewertung
der nächsten Merkel-Regierung: Welche sind die nötigen außen- und
sicherheitspolitischen Reformen
Herr Kiss hat den Vortrag mit der Vorstellung
von der deutschen Wirtschaftskraft begonnen und hat etliche statistische Fakten
über Deutschland, über die deutsche Gesellschaft und über den Wahlen selbst
dargestellt. Er hat auch den wichtigen europäischen Kontext dieser Wahlen
unterstrichen.
Danach hat er die zwei wichtige politische
Narrativen vor den Wahlen erörtert: die linksliberale und die konservative
Narrative.
Die linksliberale Narrative geht davon aus,
dass die Regierung nötige Reformen weder begonnen, noch geplant hat. Insofern
ist Deutschland für die Veränderung der Welt und für die Herausforderungen
nicht vorbereitet. Die Linksliberalen sind an der Meinung, dass das deutsche
Sozialsystem nicht nachhaltig ist und es fehlen allgemein die langfristigen
Strategien. Sie bemängeln auch die Polarisierung der politischen Themen: die
Programme der CDU und SPD sind, auch infolge der letzten Großkoalition, sehr
ähnlich. Markante Unterschiede sieht man nur bei der Steuerpolitik und bei der
Frage des Mindestlohns. Die deutsche Behandlung der Wirtschaftskrise war nur
die Umsetzung deutscher Exportinteressen und der Schuld wurde den europäischen Südstaaten
zugewiesen, wobei Deutschlands Rolle an der Krise nicht erörtert wird. Diese
Narrative hat einen starken sozialpolitischen Ansatz. Man erklärt die guten
Beschäftigungsdaten mit den Dumpinglöhnen und man kritisiert dieser Art von
Arbeitspolitik mit den daraus resultierenden niedrigen Rentenzahlungen, die
später zum Altersarmut führen.
Die konservative Narrative hat aber einen
quantitativen, ergebnisorientierten Ansatz und geht im Gegensatz davon aus,
dass Deutschland so stark ist, wie nie vor der Wende: 70 Prozent der
Bevölkerung sieht eine positive Entwicklung laut den Meinungsumfragen, die
wirtschaftliche Situation ist gut, die Anzahl der Arbeitnehmer ist gestiegen,
die die Arbeitslosenquote ist gesunken, es gibt wegen den guten
Beschäftigungsdaten Rekordsteuereinnahmen und auf dem Finanzmarkt ist
Deutschland während der Krise zum „sicheren Hafen“ geworden.
Die Auflösung der Meinungsunterschiede der
Narrativen, also die Auflösung zwischen „Lethargie“ und „Erfolg“ sieht Kiss
darin, dass Deutschland sich in so einer guten Situation befindet, dass es dem
Land nur schlechter gehen kann. Die langfristigen Problemen mit der
Demographie, mit der regionalen Disparitäten, mit der Binnenmigration, mit dem Mangel
an Facharbeiter, mit dem Rentensystem, mit dem Finanzsystem und Doppeltransfer,
und mit den Herausforderungen des Föderalismus, der Energiewende und des
Niedriglohnsektors müssen in der Zukunft behandelt werden.
In seinem zweiten Punkt über die parteilichen
Machtverhältnisse hat Herr Kiss nochmal die Ähnlichkeiten zwischen den
Programmen der CDU und SPD betont. Bei der Frage des Mindestlohns hat er aber
die zwei unterschiedlichen Philosophien der Seiten vorgestellt. Solange beide
Seiten die die soziale Gerechtigkeit vor Auge halten, vertreten die Grünen und
SPD eine linke Einstellung mit Anspruch auf Neuverteilung von den Wohlhabenden
in die Richtung ärmerer Bevölkerungsschichten und im Gegensatz dazu vertritt
die CDU/CSU eine eher wirtschaftsliberal geprägte Auffassung, dass man mit
höherer Besteuerung der „Reichen“, die jetzt sowieso eine in Vergleich zum
Anteil in der Bevölkerung einen überproportionalen Anteil der Einkommensteuer
bezahlen, zur Ungerechtigkeiten beiträgt und Arbeitsplätze gefährdet.
Die Schwäche der SPD wurde mit den
politischen Kosten der Agenda 2010 erklärt, in dem die SPD nicht eine
sozialdemokratische, aber eine eher liberale Wirtschaftspolitik verwirklicht
hat, außerdem war ein Problem für die SPD, dass alle von der Regierung
initiierten Sparpaketen letztendlich im Bundestag seitens der SPD zugestimmt
waren. Sie haben also kein linkes Programm präsentiert.
Herr Kiss hat Angela Merkel als Kanzlerin der
Antipolarisation genannt und ihre Persönlichkeit als Schlüssel des Erfolges der
CDU benannt. Ihr überparteiliches Image führt zu eine asymmetrischen Mobilisierung
bzw. asymmetrische Demobilisierung der Wähler. Sie vermeidet offene
Konfrontationen in spaltenden Themen, sie nimmt die Themen der Gegner weg
(Energiewende), sie integriert das in die Programme der CDU. Damit verwirklicht
sie zum Teil die Programme der Opposition, damit demobilisiert man die
oppositionellen Wählern, und verursacht eine Profilkrise bei der SPD.
Herr Hettyey hat im dritten Teil die Kampagne
der Parteien vorgestellt. Die Kampagne der CDU war auf Merkel statt Fachpolitiken
zugespitzt, die in der ganzen Bevölkerung beliebt ist. Die asymmetrische
Demobilisierung wurde wieder erläutert. Die drei wichtigsten Themen waren die
Vermeidung der Steuererhöhungen, die Einführung des Betreuungsgeldes und die Minimalisierung
von Wohnmietpreisen. Man kann eine linke Bewegung der CDU zum Zentrum
beobachten.
Die schwache Ergebnisse der FDP, SPD und
Grünen lassen sich gemeinsam mit inneren Streitigkeiten erklären. Die SPD
forderte landesweites Mindestlohn (8,50 Euro pro Stunde), kritisierte das Betreuungsgeld
und forderte Steuererhöhungen. Die Initiativen der Grünen (Veggieday, usw.)
wurden als aggressiv-paternalistische Maßnahmen in der Bevölkerung aufgefasst
und abgelehnt. Weitere Themen waren bei den Grünen die Frauenquote,
Steuererhöhungen und Mindestlohn. Die FDP konnte die Erwartungen der Wähler bei
der Umsetzung ihres Programms nicht nachkommen und die Beurteilung der Partei
in der Bevölkerung hat sich verschlechtert. Die Wähler haben massenhaft Richtung
CDU und SPD bewegt. Die Linken haben ein pazifistisches, aber ein sehr stark
linkes Programm präsentiert, sie waren auch von inneren Streitigkeiten
betroffen.
Herr Hettyey hat danach die Aussichten der
Koalition erörtert und hält wegen den inhaltlichen Übereinstimmungen eine
schwarz-rote Koalition für wahrscheinlich. Die Rolle vom Merkel als die „schwarze
Wittwe“, da der Koalitionspartner der CDU bei den nächsten Wahlen ein
schlechtes Ergebnis erwarten kann macht die Verhandlungspartner vorsichtig.
Zum dritten Teil hat Herr Kiss über die Veränderungen
im Parteisystem geredet. Obwohl man Pluralisierung erwartet hat, die
Stabilitätskultur hat dazu geführt, dass es jetzt nur noch vier Parteien im
Bundestag sind. Sechs Millionen Stimmen wurden an Parteien gegeben, die nicht
in den Bundestag kamen, daraus wurde die fallende integrative Kraft der
Volksparteien abgeleitet und Kiss hat die „Volkparteilichkeit“ der SPD in Frage
gestellt. Dieses Gedanke wurde von Herrn Hettyey ergänzt, in dem die
Wahlergebnisse mit den österreichischen Ergebnissen verglichen wurden. In
Österreich haben die ÖVP und SPÖ nur ca. 40 Prozent der Stimmen bekommen, in
Deutschland haben die Volksparteien 66 Prozent bekommen. So war Herr Hettyey an
der Meinung dass die Bedeutung der Volkparteien in Deutschland in Frage zu
stellen, noch zu früh ist.
Im letzten Teil der Präsentation hat man die
deutsche Europapolitik und Außen- und Sicherheitspolitik analysiert. Man kam
auf die Konklusion, dass Deutschland eine vorsichtigere Europapolitik führt und
auf der Weltbühne, wegen den fehlenden Kapazitäten der USA, Deutschland nicht
mehr als politischer Zwerg auftreten kann.
Anschließend der Präsentation fand eine
Fragerunde statt.